OrganspendeSpahn drängt auf Widerspruchslösung

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geht das Tief bei den Organspende-Zahlen an: Nach dem Vorlegen eines neuen Gesetzentwurfs zu Transplantationen will er eine Debatte zur Widerspruchslösung im Bundestag – und erntet dafür Lob.

Organspendeausweis: Mit einer Widerspruchslösung wäre jeder erst einmal automatisch Spender.

Um zu mehr Organspenden in Deutschland zu kommen, hat sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn für eine Widerspruchslösung ausgesprochen. „Nur so kann die Organspende zum Normalfall werden“, sagte der CDU-Politiker der „Bild“-Zeitung (3. September).

Eine solche Neuregelung stelle zwar einen Eingriff des Staates in die Freiheit des Einzelnen dar, sagte Spahn. Doch seien alle bisherigen Versuche der Politik, die Zahl der Organspender zu steigern, leider ohne Erfolg geblieben. „Deshalb brauchen wir eine breite gesellschaftliche Debatte über die Widerspruchslösung.“ Einen Gesetzentwurf werde er dazu nicht in den Bundestag einbringen, kündigte Spahn an und sprach sich zunächst für eine Diskussion zu dem Thema im Bundestag aus.

Dabei macht sich Spahn für eine sogenannte “doppelte Widerspruchslösung” stark. Das heißt, erstmal ist jeder automatisch ein Spender. Dann soll man dazu aber zu Lebzeiten ausdrücklich Nein sagen können, ansonsten sind – als doppelte Schranke – auch noch die Angehörigen zu fragen. Bisher ist es grundsätzlich genau andersherum: Organe entnommen werden dürfen nur, wenn eine Einwilligung des Patienten vorliegt – über den Spenderausweis oder zum Beispiel eine Patientenverfügung. Hat der Patient keine Entscheidung getroffen, müssen erst nächste Angehörige wie Ehepartner, volljährige Kinder oder Geschwister gefragt werden.

Auch der Deutsche Ärztetag hatte im Mai für eine Widerspruchslösung plädiert.

Mögliche neue Regeln für eine automatische Einwilligung in Organspenden außer bei erklärtem Widerspruch treffen laut Umfragen bei den Bundesbürgern tendenziell auf Zustimmung. Einen entsprechenden Vorstoß von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) befürworten eher oder sogar voll und ganz 46 Prozent der Befragten, wie eine Umfrage des Instituts YouGov ergab – eher oder voll und ganz dagegen sind demnach 38 Prozent. In einer Umfrage des Instituts Civey für die «Welt» sprachen sich 52 Prozent der Deutschen für solche neuen Regeln aus, dagegen waren demnach 42 Prozent.

Kanzlerin will mitdiskutieren

 

Für seinen Vorstoß erntete Spahn in ersten Reaktionen Lob. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) befürwortete angesichts niedriger Organspendezahlen in Deutschland eine grundlegende Debatte über mögliche Neuregelungen des Entscheidungsverfahrens. Sie finde es richtig, dass eine solche Debatte im Bundestag geführt werde, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag (3. September) in Berlin. Daran werde sich Merkel mit Interesse beteiligen, fügte er hinzu, ohne Angaben zur Position der Kanzlerin zu machen. Er verwies darauf, dass Merkel mehrfach für Organspenden geworben und niedrige Zahlen beklagt habe.

Nichtsdestotrotz hat Spahn mit seinem Vorstoß nicht die gesamte Union hinter sich. Im Gegenteil: Die gesundheitspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Karin Maag, reagierte im Gespräch mit «Stuttgarter Nachrichten» und «Stuttgarter Zeitung» (Dienstag) verärgert. «So geht es nicht. Wir machen unseren eigenen Gesetzentwurf mit einer Debatte kaputt, die viel zu früh kommt.» Die CDU-Politikerin warnte, so könnten noch mehr Ängste geweckt und das Vertrauen in die Organspende gemindert werden. Nach Spahns Vorstoß soll automatisch jeder als Spender gelten, der zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widerspricht – oder nach dem Tod die Angehörigen. Bisher gilt das umgekehrte Prinzip, wonach Organentnahmen nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt sind. Der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger kritisierte Spahn ebenfalls. «Man sollte nicht den zweiten Schritt vor dem ersten machen», sagte er den Zeitungen.

Der CDU-Politiker Michael Brand hat die von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) avisierte Widerspruchslösung bei Organspenden kritisiert und stattdessen eine bevorzugte Vergabe an die Bereitschaft zur Spende angeregt. Er halte eine solche Regelung für «sehr überlegenswert», sagte er dem Berliner «Tagesspiegel» (Mittwoch). Zugleich betonte Brand, es sei «keineswegs ausgemacht», dass eine Widerspruchslösung mehr Organspenden bringe. Brand befürchtete, der forsche Ton könne auch «Menschen verschrecken, die man anders vielleicht gewinnen könnte».

Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) vorgeschlagene Neuregelung der Organspende sollte nach Ansicht von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder nicht einfach per Gesetz erfolgen. «Die Widerspruchslösung wäre die einfachste und beste Lösung, aber sie muss im gesellschaftlichen Konsens erfolgen», sagte der CSU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in München. Aus diesem Grund müsse es im Bundestag darüber eine Abstimmung ohne Fraktions- und Parteizwänge, sondern nach freiem Gewissen geben.

Die Landesbischöfin der Evangelischen Landeskirche in Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, hat sich deutlich gegen eine Widerspruchslösung bei der Organspende gewandt. «Das Wort «Spende» steht für freiwilliges Geben. Bei der sogenannten Widerspruchslösung wird daraus ein Zwang, dem ich nur durch meinen expliziten Widerspruch entkommen kann», sagte Junkermann am Dienstag in Magdeburg. «Das ist ein schwerer Eingriff in die persönliche Integrität und individuelle Gewissensfreiheit. Das degradiert einen sterbenden Menschen zu einem Materiallager für andere.»

Die Zahl der Organspender hat nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation im vergangenen Jahr mit 797 einen Tiefpunkt erreicht.

Rückenwind aus den Ländern

Auch aus einzelnen Ländern erhielt Spahn umgehend Rückenwind. Baden-Württembergs Sozialminister Manne Lucha (Grüne) begrüßte den Vorstoß. „Ich persönlich würde die Widerspruchsregelung befürworten und mittragen“, erklärte er. Auch die rheinland-pfälzische Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) zeigte sich grundsätzlich offen dafür, dass automatisch jeder als Spender gelten soll, solange er selbst oder ein Angehöriger nicht ausdrücklich widerspricht. Eine Widerspruchsregelung müsste eingebettet sein in zahlreiche andere Maßnahmen, sagte sie. Als Beispiele nannte sie die Stärkung von Krankenhäusern und mehr Aufklärung.

Genau diese Stärkung der Kliniken hat Spahn mit seinem jüngsten vorgelegten Gesetz adressiert. Der Entwurf für sein insgesamt viertes Gesetz dieser Legislaturperiode sieht vor, dass Transplantationsbeauftragte in Krankenhäusern mehr Zeit für diese Aufgabe bekommen und die Vergütung der Einrichtungen für den ganzen Prozess einer Organspende verbessert werden. Spahn sagte am Freitag (31. August): „Wir müssen alles versuchen, dass die Zahl der Organtransplantationen wieder steigt.“ Immer mehr Menschen hätten zwar inzwischen einen Organspendeausweis. Doch den Krankenhäusern fehlten häufig Zeit und Geld, um Organspender zu identifizieren. Hier werde daher mit den Gesetzesplänen angesetzt.

Mit Material von dpa

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